»Ich habe davon geträumt, wie ich meinen Vater blutig schlage« // fil_da_elephant über die Versöhnung seines Lebens

Es war das Motto des Christivals, das vom 4. bis 8. Mai 2016 in Karlsruhe stattfand: Versöhnung. In allen Wortwechseln, Seminaren, in den Gottesdiensten und beim Worship stand sie im Mittelpunkt. Doch noch immer (und wahrscheinlich Immer wieder) beschäftigt uns die Frage: Wie kann Versöhnung gelingen? Jemand, der etwas darüber berichten kann, ist Hip-Hop Star fil_da_elephant. In Karlsruhe hat er TEENSMAG einen Blick in seine Vergangenheit gewährt …

 

Ich hatte einen Dad, der aggressiv war, mit seinem Leben nicht klar kam. Für ihn war ich der Blitzableiter. Die Ehe meiner Eltern ist zerbrochen; danach habe ich bei meinem Vater gewohnt. Oft gab es eine ordentliche Tracht Prügel. Ich habe mich selbst gehasst und war äußerst aggressiv. Ständig habe ich davon geträumt, wie ich meinen Vater blutig schlage. Ich habe in meinem Zimmer gegen die Wand geprügelt, ich habe am Fenster gesessen und wollte springen. Ich hatte kein Bock mehr auf das alles und wollte ein Zeichen setzen, dass mein Vater ein Arsch ist. Zum Amokläufer fehlte mir nicht viel.

 

Es hat gedauert, bis ich »Papa« sagen konnte

Damals war ich in der 9. Klasse – und in der Schule entweder besoffen oder ich hab einfach geschwänzt. Ich hatte einen Nebenjob, der nur dafür da war, Geld für den Alkohol zu verdienen,. Und in der Schule habe ich ordentlich verkackt.

Doch ich war auch im CVJM Esslingen bei den Pfadfindern. Weil ich selbst eine Pfadfindergruppe leiten wollte, bin ich mit auf die Mitarbeiterschulung gegangen.  Die Leute waren zwar alle irgendwie anders, also eher spießig und so, aber ich war da willkommen. (Übrigens immer im CVJM!) Ich konnte einfach ich sein. So bin ich mit 15 an dieses Jesus-Ding gekommen. Mit dem »Vater« sprechen konnte ich allerdings nicht. Da war ich total blockiert. Es hat gedauert, bis ich Gott als Vater akzeptiert hatte und auch nochmal, bis ich »Papa« sagen konnte.

 

Nichts als leere Worte

Ich stand vor Gott und habe gefragt »Wie soll ich diesem Mann vergeben?« Ich hatte es davor schon so oft versucht, aber das waren immer nur Worte, es war nicht echt. Und irgendwann habe ich mich gefragt: Wie kann echte Vergebung funktionieren?

Mir wurde klar: Um vergeben zu können, muss ich den Menschen lieben, dem ich vergeben will. Ich hatte keine Ahnung, wie das gehen sollte. Es erschein mir absolut unmöglich. Doch trotz all dieser Wut und dem Schmerz habe ich lernen dürfen, wie wundervoll mein Vater ist.

 

Lieben lernen

Auf einmal war da dieser total einfache Gedanke: Wie verliebe ich mich? – Ich hab mir selbst diese Frage gestellt und nachgedacht. Wenn ich eine Frau kennenlerne, fällt mir auf, was an ihr hübsch ist, was mir gefällt. In Bezug auf meinen Vater waren das seine Unterarme. Er hat richtig tolle Unterarme,  braun gebrannt und so richtig deutlich von Adern durchzogen. Und die hat mir mein Vater vererbt. Meine sehen fast genauso aus. Da habe ich beschlossen, dass ich ihm dafür dankbar bin, dass er mir die vererbt hat. Für mich war das etwas Gutes, was ich von meinem Vater bekommen habe.

Und die Entschlossenheit, immer wieder aufzustehen, das habe ich auch von meinem Vater. Er war beim Militär, ist auch angeschossen worden, und ist aus den USA nach Deutschland gekommen. Er war fremd. Dann ist seine Ehe ist zerbrochen, und auch seine zweite Beziehung. Trotzdem hat er sich immer wieder durchgeschlagen. Er hat viel erlebt und erlitten. Ich glaube, er hat sich selbst auch als schlechten Vater wahrgenommen. Mit 15 Jahren bin ich zu meiner Mutter gezogen. Für ihn war das natürlich ein mieses Feedback. Dann hat er Borreliose bekommen. Aber er ist immer wieder aufgestanden und hat weitergemacht.

 

Niemand ist nur gut oder nur schlecht

Ich habe gelernt, ihn zu bewundern.  Und festgestellt: Es ist wie bei mir. Es gibt Sachen, die sind gut, und Sachen, die sind abgrundtief scheiße. Und mein Vater ist nicht einfach nur gut ODER schlecht.

Darüber hinaus habe ich angefangen, ihn zu lieben. Ich habe ihm einen Brief geschrieben, dass ich ihn liebe und dass er mein Papa ist und immer bleiben wird. In ihm bitte ich meinen Vater um Vergebung. Den Brief habe ich mit der Post verschickt, obwohl wir im gleichen Ort gewohnt haben. Ich habe mich nicht mal getraut, ihm den Brief selbst in den Briefkasten zu stecken …

Eine Antwort habe ich nicht bekommen. Doch ein paar Monate später haben wir uns auf einer Familienfeier wiedergesehen. Wir haben die ganze Zeit einen großen Bogen um uns herum gemacht. Am Ende hat er dann angeboten, mich mit dem Auto nach Hause zu fahren, weil meine Karre kaputt war. Als er schließlich vor meiner Haustür anhielt und ich aussteigen wollte, sagte er zu mir: »Du, wegen dem Brief … – Das sehe ich so ähnlich wie du«, und ist mit quietschenden Reifen weggefahren. Das war dann der Beginn einer wundervollen Versöhnung.

 

Meine Liebe konnte ihn verwandeln

Mittlerweile ist er ein unglaublich toller Opa für meine drei Kinder. Wir übernachten dort, er passt auch allein auf sie auf. Ich mache mir darum keine Sorgen und vertraue ihm meine Kids an. Ich glaube tatsächlich, dass meine Liebe zu ihm ihn verwandeln konnte. Heute will er mich sogar seinen Nachbarn vorstellen, so stolz ist er auf mich. Er erzählt von mir und was ich mache. Und dann sagt er: ›Ich habe nichts in meinem Leben gut hinbekommen, nur den hier.‹ Und ich hab Tränen in den Augen …

Wir reden mittlerweile auch über den Glauben – und ich hoffe, da kommt noch was. Er ist wirklich ein supertoller Opa und Vater. Es war ein langer Weg. Wenn ich diese Geschichte bei meinen Auftritten erzähle, rappe ich danach das Hohelied. Das handelt von der Liebe, die einfach alles verwandelt und die stärkste Macht der Welt ist. Und mittlerweile ein fester Teil meines Lebens geworden ist.«

 

Diese Geschichte verarbeitet fil in dem Lied »Trotz all dem Schmerz«, das auf seinem neuen Album »fil.osophie« zu hören ist. In der kommenden TEENSMAG könnt ihr in der Soundstory mehr darüber erfahren. Freut euch drauf!  

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