c_SergejFalk

Kein Heuchler-Christ

Rapper Kevin Neumann hat den christlichen Musik-Wettbewerb SongTalent 2015 gewonnen, als er beim Finale auf dem Kirchentag in Stuttgart die Jury überzeugt hat. TEENSMAG hat für euch ganz genau nachgehakt, wer er ist, worauf er steht und was er mit seiner Musik vor hat.

 

Steckbrief

Alter: 24 Jahre, aber sehe aus wie 16 🙂

Beruf: gelernter Mediengestalter, arbeite aber gerade in der Produktion bei einem Automobilkonzern

Hobby: joggen, Hauskreisgemeinde, Zeit mit Freunden verbringen

Lieblingsessen: Alles, was mit Chicken zu tun hat

Lieblingsschulfach: Geschichte

Lieblingsurlaub: Missionseinsätze oder Urlaub in Israel – das Land hat mich ziemlich gecatcht

 

Du textest deine Songs selbst. Viele Rapper haben eine krasse Lebensgeschichte hinter sich, die sie in ihren Texten verarbeiten. Wie sah dein Weg bis heute aus?

Ich habe meine Ausbildung als Mediengestalter bei einem Automobilkonzern gemacht und mich während dieser Zeit bekehrt. Für mich stand fest, dass ich danach auf eine Jüngerschaftsschule gehen möchte. Das waren keine drei Jahre theologische Ausbildung, sondern neun Monate, in denen ich vormittags Bibelbasics gelernt habe und sie nachmittags praktisch anwenden durfte. Es war eine Missionsschule mit Schwerpunkt Evangelisation, weshalb wir unter Randgruppen in Karlsruhe gearbeitet haben und ich drei Monate in Spanien war. Eigentlich war ich der Überzeugung, zwei Jahre dort zu bleiben, aber Gott hat mich so klar wie selten in meinem Leben in meinen Heimatort Gifhorn zurückgerufen. Da habe ich wieder bei dem Automobilkonzern angefangen – allerdings nicht mehr als Mediengestalter, sondern am Produktionsband. Dort machen wir jede Minute dasselbe: wir bauen in Schichtarbeit Autos, indem wir Airbags und Autoinnenhimmel einbauen. Gott hat mir gezeigt, dass er mich segnen will, wenn ich zwei Jahre in der Produktion bleibe. Jetzt bin ich seit drei Jahren dort und es ist eine größere Charakterschule für mich als die Jüngerschaftsschule. Auf der Bibelschule habe ich viele Werkzeuge kennengelernt. Aber hier darf ich meine Menschenfurcht verlieren und kann die Werkzeuge praktisch anwenden. Es ist nicht so schwer für mich, jemand Fremden auf der Straße zu sagen, dass Jesus ihn liebt. Aber die acht Stunden Arbeitszeit, in denen man nicht rumpredigt, sondern den Glauben vorleben kann, ist eine andere Sache. Das tat mir gut. Ich sehe, wie Gott alles führt. Wenn man sich darauf einlässt, ein Stück weit zu „sterben“, lässt Gott daraus Tolles entstehen. Darüber ist die ganze Sache mit der Musik entstanden. Das hatte ich nicht auf dem Plan und hätte nie gedacht, dass ich mal eine eigene CD von mir in den Händen halte. Das ist eine längere Geschichte und ich bin selbst noch mitten drin, ganz am Anfang. Ich bin erst sechs Jahre mit Gott unterwegs, nachdem ich mich mit 18 Jahren für Jesus entschieden habe.

 

Gott hat dich in deine Heimat zurückgerufen. Wie hat er dir das gezeigt?

Damals musste ich entscheiden, ob ich noch ein Jahr auf der Bibelschule bleibe. Ein guter Freund und ich haben gemeinsam bei einem Umzug geholfen. Dabei bekamen wir das Gefühl, dass es cool wäre, zusammen zu wohnen und eine WG zu gründen. Kurz bevor die Bibelschule zu Ende war, habe ich angefangen zu beten, dass Gott mir bitte seinen Willen zeigen soll – so, dass ich ihn verstehe. Dabei habe ich mit demütigem Herzen um mehrere Dinge gebeten: Wenn ich nach Gifhorn zurückgehen soll, möchte ich eine Wohnung in der Innenstadt haben. Das ist gar nicht so einfach zu bekommen. Dann bekam ich die erste Bestätigung: Es kam eine Vermieterin auf uns zu, ohne dass wir groß gefragt haben, und hat angeboten, eine Arztpraxis in der Fußgängerzone komplett für uns umzubauen. Die zweite Bestätigung bekam ich in meiner stillen Zeit: Ich lese die Elberfelder-Übersetzung, die ja ein bisschen älter klingt. In der Apostelgeschichte steht, dass Paulus für zwei Jahre in eine Mietwohnung zog und dort freimütig das Evangelium verkündete. (Er lacht) Und ich hatte noch nie in einer so alten Übersetzung das Wort »Mietwohnung« gelesen. Im Nachhinein habe ich tatsächlich zwei Jahre dort gewohnt.

 

Warum hast du bei dem Wettbewerb mitgemacht?

Zwei Personen haben mir davon erzählt. Den Song »Gedanke für Gedanke« hatte ich nicht extra fürs SongTalent produziert, sondern habe ihn einfach hochgeladen und das Ganze ruhen lassen. Dann kam irgendwann die Nachricht, dass ich unter den Vorfinalisten bin. Als ich unter den Top 20 war, habe ich mir gesagt, dass ich die Chance nutzen will, um Menschen mit der Musik zu erreichen. Natürlich nicht nur mit der Musik. Aber natürlich ist es meine Musik und ich will den deutschen Hip-Hop mit christlicher Botschaft, den es noch nicht so lange gibt, nach vorne bringen.

 

Was willst du mit deiner Musik bewirken?

Auf der einen Seite will ich ganz klar jugendliche Christen stärken und ermutigen, im Glauben voranzugehen und einen Unterschied zu machen, an Jesus festzuhalten. Auf der andere Seite wünsche ich mir für diejenigen, die Gott noch nicht kennen oder ein verdrehtes Bild von ihm haben, dass ich ihnen das Bild gerade rücken kann, so wie Gott nach biblischen Maßstäben wirklich ist. Ich glaube, wenn ich meinen Arbeitskollegen erzähle, dass ich Christ bin, denken sie als erstes, dass ich mit Weihrauch in einer katholischen Kathedrale schwenke und Messdiener bin. Und mit diesen alten Ritualen kann ich mich gar nicht identifizieren. Es geht einfach um die Person Jesus Christus. Jesus ist das Bild des unsichtbaren Gottes – deswegen ist es mir wichtig, mit meiner Musik Gott als den zu repräsentieren, der er auch wirklich ist.

 

Du hast deinen Text geschrieben, kurz nachdem du Christ wurdest und überwältigt warst von Gott. Wie kam es zu dieser Gefühlsexplosion? Wie sah es vorher in dir aus?

Bei mir war es ein dreijähriger Prozess. Ich komme nicht aus einem christlichen Elternhaus. Ich wurde zwar konfirmiert, als Kind getauft und meine Mama hat mir beigebracht zu beten, aber das war auf keinen Fall ein rettender Glaube, in dem Jesus vorkam. Das waren mehr Religiosität und der Glaube an einen höheren Gott, aber das Persönliche mit Jesus war nicht zu finden. Im Grunde genommen haben wir als Familie gelebt wie der Rest der Welt. Mein Vater hat ein Doppelleben geführt, meine Eltern haben sich getrennt als ich dreizehn war und mein Vater hat ziemlich gottlos gelebt. Als ich fünfzehn war, hatte er eine übernatürliche Bekehrung zu Jesus, bei der Gott ihm seine ganze Schuld, aber auch die Vergebung am Kreuz gezeigt hat. Dadurch hat sich sein ganzes Leben verändert. Er hat angefangen, nach der Bibel zu leben und mit Gott zu gehen. Damals habe ich von Jesus erfahren – mein Papa war dabei der größte Einfluss. Ich habe das aber geprüft, war skeptisch und musste meine eigenen Erfahrungen machen. Das war bei mir ein Prozess von drei Jahren. Ich wollte prüfen, warum Jesus der einzige Weg zu Gott ist und warum nicht Buddha oder Allah. Diese Frage wurde mir dann aber relativ schnell beantwortet, weil Jesus am Kreuz gestorben ist und bereits alles getan hat und ich aus eigenen guten Taten nicht den Himmel verdienen kann. Zweitens habe ich an meinen Leben, meinen Sünden und dem Lebensstil festgehalten. Ich war schon immer ziemlich dem Rap hinterher und er hat einen großen Einfluss ausgeübt. Ich habe Texte gehört und war auf Konzerten, von denen ich wusste, dass ich das als Christ nicht mehr machen kann. Ich habe jahrelang intensiv am Wochenende Party gemacht. Ganz lange war ich einfach nicht bereit, mein Kreuz auf mich zu nehmen, zu „sterben“ und Buße zu tun. Gott hat wie ein Bräutigam mein Herz erobert – deswegen finde ich dieses Bild so toll, in dem Jesus der Bräutigam ist. Er war so geduldig und liebevoll und hat mir gezeigt, dass ich das, was ich suche, nicht in der Welt finden kann. Sondern er hat das, was ich brauche. Mit 18 Jahren wurde der Schalter in mir umgelegt und ich habe gesagt: »Okay, Jesus, wenn es dich wirklich gibt, dann will ich ganze Sache machen.« Ich will kein Heuchler-Christ sein und mit einem Bein in der Welt und einem in der Gemeinde stehen. Dann habe ich mich von vielen Sachen gelöst und angefangen, mit Jesus zu leben. Ich war vorher wie blind und konnte es plötzlich sehen – daraus ist dann auch »Gedanke für Gedanke« entstanden.

 

Damit hast du scheinbar einen Nerv getroffen.

Ja, es ist krass. Der Song ist schon fünf Jahre alt. Die Herausforderung beim Christsein ist es, das Feuer und diese erste Liebe zu Gott aufrechtzuerhalten. Man erlebt ganz viele Sachen, wenn man viel mit Gott unterwegs ist.

 

Kannst du das Lied noch von ganzem Herzen bringen, auch wenn es schon fünf Jahre alt ist?

Ich kann es noch mit Überzeugung singen, aber man darf sich auf der anderen Seite auch nicht von seinen Emotionen abhängig machen. Es gibt Tage, an denen die Umstände etwas schwieriger sind und man Gottes Gegenwart nicht so stark spürt. Und dann gibt es wieder Tage, an denen man tolle Sachen erlebt und das Feuer wieder richtig burnt. Ich gründe meinen Glauben nicht auf meine Emotionen. Aber das Lied kann ich noch voller Emotionen singen – ganz klar, weil Jesus für mich derselbe wie vor fünf Jahren ist. Und ich bin immer noch so begeistert von dem, was er getan hat. Danach richtet sich mein ganzes Leben aus.

 

Wie ist es, nach dem Sieg plötzlich so viel Rummel um sich zu haben?

Das sehe ich ziemlich entspannt. Ich bin nicht der Typ dafür, mich hineinzusteigern und mir etwas darauf einzubilden und nicht mehr wahrzunehmen, wie es wirklich ist. Im Grunde genommen fühle ich mich nicht anders als vorher. Ich bin Gott mega dankbar für diese offene Tür. Mir geht es wirklich darum, Leute zu erreichen. Darum sehe ich mich auch nicht im Mittelspunkt stehen. Ich sehe ganz klar, warum das so passiert ist.

 

Das Ziel war es zu gewinnen. Was ist dein nächstes Ziel? Willst du die Musik-Szene erobern?

(Er lacht) Darüber kann ich ehrlich gesagt noch nicht viel Auskunft geben. Ich bringe im Gebet vor Gott, wie es weitergehen soll. Ich glaube, dass es auf jeden Fall weitergehen wird, aber ich weiß nicht, wie genau das aussehen wird. Ich rede auch gar nicht so sehr über meine Musikkarriere. Das Rappen und die Musik sind nicht meine Identität – wenn ich darauf baue und dann alles zusammenbricht, würde es schlecht um mich stehen. Meine Identität ist in Gott und ich lege Wert darauf, dass ich musikalisch, aber auch geistlich wachse. Es ist spannend, sich zu fragen, wo man sich in zehn Jahren sieht. Da würde ich viel lieber sagen: Ich wünsche mir, ein vorbildlicher Ehemann und Familienvater zu sein und dadurch einen Unterschied in dieser Gesellschaft zu machen, weil sie solche geistliche Väter und gesunde Familien braucht. Ob das in zwei Jahren mit der Musik weitergeht oder vorbei ist, kann ich nicht sagen, weil ich keine Zehn-Jahres-Agenda aufgestellt habe. Ich wünsche es mir natürlich, weil es meine Leidenschaft ist. Aber wenn Gott mir in zwei, drei Jahren ganz klar zeigen würde, dass ich nach China in die Mission gehen soll, würde ich auch gehen.

 

Was soll in deinem Leben bleiben wie bisher und was soll sich nach dem Sieg verändern?

Ich wünsche mir, dass mehr Leute von meiner Musik hören und ich sie mit ihnen teilen kann. Für mich ist es auch eine Plattform, um an Bekanntheitsgrad zuzunehmen. Ich arbeite schon am nächsten Album, das bald kommt.

 

Was machst du, wenn du nicht rappst?

Mein Wunsch ist es, Leute in die Jüngerschaft zu führen. Über das Internet geht das natürlich nicht persönlich von Gesicht zu Gesicht. Deswegen ist es mir wichtig, neben der Musik auch Mini-Inputs hochzuladen. Bei Youtube habe ich eine Serie am Laufen: »Auf der Couch mit…«, wobei ich bisher z. B. mit anderen Rappern draufsitze und mit einem ehemaligen Hooligan spreche. Sie geben geistlichen Input, durch die Leute geistlich wachsen können.

 

Zur der Vorbereitung auf das Finale, hast du an einem Vocal Coaching teilgenommen. Wie läuft das für dich als Hip-Hoper – anders als bei Sängern?

Es gab ein paar Übungen, bei denen ich gemerkt habe, dass ich von der Tonlage her nicht ran komme – also ganz oben und unten. Trotzdem gibt es Aufwärmübungen zur Muskellockerung und für eine entspannte Zunge. Diese konnte ich mitmachen. Das spezifische Coaching des Songs war bei jedem unterschiedlich und die Coaches haben gesagt, wo wir am Song etwas ändern sollten. Mir hat das sehr viel gebracht, weil ich gelernt habe, im Lied selbst verschiedene Spannungspunkte zu setzen. Ein Beispiel: Ich bin ein Typ, der gerne direkt richtig die Leute mitnehmen will. Dabei nehme ich gerne direkt eine hohe Stimmlage. Wir haben daran gearbeitet, dass ich z. B. in der Strophe ruhiger anfange, eine leichte Steigerung reinbringe und dann zum Refrain hin richtig abgehe. Bei mir ging es also mehr um den Aufbau des Songs. Ansonsten habe ich Atemtechniken gelernt, die mir viel gebracht haben. Aber es ging bei mir nicht darum, die Töne richtig zu treffen.

 

Schreibst du die Akkorde zu deinen Texten selbst?

Die meisten meiner Liedprojekte gehe ich mit einem Produzenten im Tonstudio gemeinsam an. Meistens habe ich mich von einem anderen Lied inspirieren lassen und einen Text darauf geschrieben. Ich bringe meinen Text und meine Vision mit. Dann setzen wir es gemeinsam um, aber er ist derjenige, der komponiert. Ich sitze daneben, spiele kein Musikinstrument, bin aber immer dabei.

 

Vielen Dank, dass du dir Zeit genommen hast! Wir wünschen dir alles Gute für deine Zukunft!

 _Lisa Dauth mag es, wenn Rap-Songs ihre Sprache sprechen.

Weitere Infos und noch mehr Musik-Interviews findest du in Ausgabe 5/2015 #liebe los.

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