Spieglein, Spieglein …

Spieglein, Spieglein an der Wand,

wieso lügst du mich so dreiste an?

Wieso sagst du mir nicht, wie schön ich bin,

sondern lachst vor dich hin und sagst, ich spinn‘?

Du sagst mir:

mein Körper ist zu dünn, mein Schädel ist zu dick,

meine zu kleinen Finger sind an zu großen Händen,

die Ohrläppchen sind asymmetrisch,

und das Blau meiner Augen ist nicht blau genug.

Spieglein, Spieglein, weißt du nicht,

dass ich extra nur für dich,

mich änder‘, mich veränder‘,

um bloß nicht anzuecken,

wo man mit Ecken und Kanten

verkannt wird.

Doch du sagst mir nur,

mein Körper ist zu dünn, mein Schädel ist zu dick,

meine zu kleinen Finger sind an zu großen Händen,

meine Ohrläppchen sind asymmetrisch,

und das Blau meiner Augen ist nicht blau genug.

Also suche ich in den Regalen nach Idealen.

Doch Aldi war gerade ausverkauft.

Bin ich wirklich so verkehrt,

Bin ich wirklich so verdreht, so verzerrt?

Oder steht mein Spiegelbild Kopf?

Sag mir Spieglein, Spieglein siehst du mich?

Siehst du mich so, wie ich mich in dir sehe?

Oder sehe ich dir etwas, was ich nicht wiedergebe?

Aber du antwortest mir nur,

mein Körper ist zu dünn, mein Schädel ist zu dick,

meine zu kleinen Finger sind an zu großen Händen,

meine Ohrläppchen sind asymmetrisch,

und das Blau meiner Augen ist nicht blau genug.

Missfallen und abgefallen

lass ich meine Maske fallen.

Und schau mir direkt ins ungeschminkte Gesicht,

frag mich zögerlich, wer schuf mich?

Ich greife ins Regal, welches ich längst hätte abstauben sollen,

nehme ein Buch, welches ich längst hätte lesen sollen,

um zu verstehen, was man mir längst hat sagen wollen.

Das erste was ich lese ist Genesis:

Gott schuf den Menschen und das ist,

so, wie es war, auch gut so.

Denn Gott sagt mir,

mein Körper ist gut, mein Schädel ist gut,

meine guten Finger sind an meinen guten Händen,

meine Ohrläppchen sind gut,

und das Blau meiner Augen ist blau genug.

Spieglein, Spieglein an der Wand,

wieso lügst du mich so dreiste an?

Beschlägst du dich vor Scham?

So wie du dich nach einer heißen Dusche beschlägst?

Ich bin nicht »Made in…«

Ich bin »Made from…«

Ich bin von Gott gemacht.

Und, Spiegel? Wer zuletzt lacht,

der hat den besten Poetry Slam gebracht.

Darum lieber Spiegel, sag ich dir eins.

Schwarz macht schlank,

doch Licht durchbricht dich bitterlich.

Also zerbrich ihn, deinen Spiegel!

Scherben bringen Unglück,

doch ein Mosaikstück nennt man Kunststück.

Und auch Gott sagt dir:

Dein Körper ist gut, dein Schädel ist gut,

deine guten Finger sind an deinen guten Händen,

die Ohrläppchen sind gut,

und die Farbe deiner Augen ist gut genug.

Grund genug,

deinen Spiegel zu zerbrechen,

bevor du zerbrichst.

Und ich verspreche,

dass die Worte, die ich hier spreche

keine Rede ist,

sondern reine Zuversicht.

Also zerbrich ihn, deinen Spiegel.

Und sieh dich, wie Gott dich sieht;

voller Friede, voller Liebe,

senn Gott schuf dich gut.

Und was Gott Gutes schuf, das blieb auch gut.

Deinen Wert

hast du von Gott geerbt.

Also zerbrich ihn, deinen Spiegel,

zerbrich dein Spiegelbild

und sieh dich mal im Bibelbild.

geslammt_Manuel