Häppchenweise

Leiterschaft beginnt bei mir selbst. Um täglich die nötige Motivation für meine Aufgaben aufzubringen, braucht es aber nicht nur den Blick fürs große Ganze, sondern auch für den nächsten kleineren Schritt auf dem Weg.

Ich hocke am Esszimmertisch, meine Tochter sitzt mir gegenüber und spielt Kniffel gegen sich selbst. Sie freut sich, weil sie – überaus überraschend – offensichtlich gewinnt. „Hast du deine Hausaufgaben schon gemacht?“, frage ich und bekomme einen fiesen Blick als Antwort. „Mach‘s doch lieber gleich, dann hast du’s hinter dir!“, höre ich mich meinen väterlichen Instinkten folgend sagen, aber der Antwortblick wird noch düsterer. „Ich muss einen ganzen Aufsatz schreiben. Ich hab‘ keinen Bock!“.

Was für kluge Worte. Denn genau das ist entscheidend: Bock. Warum sollte meine Tochter einen Aufsatz schreiben? Damit sie gute Noten schreibt, ihr Abitur schafft, erfolgreich wird, einen guten Job bekommt, viel Geld verdient und später viele Angestellte unter sich hat? Alle diese Ziele sind legitim. Aber das ist für meine Tochter in diesem Augenblick viel zu weit weg. Ich muss ihr also das große Ziel vor Augen malen und dann in kleinen Häppchen die dazu notwendigen Schritte servieren.

Das große Ganze

Ich glaube, das gilt genauso für das Thema „sich selbst leiten“. Bevor ich mich mit den Kämpfen in meiner Selbstdisziplin auseinandersetze, muss ich mir das große Ziel vor Augen setzen. Denn das wird mich motivieren, durchzuhalten, den Kampf anzunehmen und nicht beim ersten Gegenwind aufzugeben.

Was ist das Eine, das Große, für das es sich zu leben lohnt? Aus Gottes Sicht ist die Antwort leicht. Es geht um meine Beziehung zu Jesus. Ist sie gut, ist alles gut. Leidet sie, leide ich. Jesus nachzufolgen ist dabei nicht irgendein Ziel meines Lebens, es ist das Ziel. Philipper 3,10 drückt es so aus: „Um Christus allein geht es mir. Ihn will ich immer besser kennen lernen: Ich will die Kraft seiner Auferstehung erfahren, aber auch seine Leiden möchte ich mit ihm teilen und mein Leben ganz für Gott aufgeben.“

Alles, was ich kennen, lernen und wissen muss, ist in und durch Jesus verfügbar. Er ist der Schöpfer, der Sinn, die Erfüllung – auch beim Thema Selbstdisziplin.

Und jetzt wird es konkret. Es gibt drei praktische Schritte, die die Grundlage für eine blühende Beziehung mit Jesus sind:

  • Lies die Bibel. Regelmäßig. Täglich. Mach es dir zur festen Gewohnheit. Verbring Zeit mit Jesus. Gib ihm die besten 30 Minuten deines Tages. Wie in jeder guten Beziehung muss man Zeit mit jemandem verbringen, um ihm besser kennen zu lernen. Nicht, um dein Hirn mit mehr Wissen zu füllen, sondern auf den Heiligen Geist zu hören, was er konkret in dein Leben sprechen will.
  • Lerne Verse auswendig. Psalm 119,11 sagt:„Tief präge ich mir dein Wort ein, damit ich nicht vor dir schuldig werde.“ Es gibt kaum einen größeren Schatz, als Jesu Wahrheiten auswendig abrufen zu können. Du wirst erleben, wie sie der Heilige Geist in konkreten Situationen hervorholen wird.
  • Höre Jesus zu. Bete, dass er dein Herz verändert. Praktiziere „hörendes Gebet“ – klingt spektakulär, und ist es auch. Denn Jesus redet viel konkreter, als du vielleicht denkst. Und anstatt Jesus nur mit dem zuzutexten, was dir am Herzen liegt, höre ihm zu. Geh mit einer konkreten Fragestellung in die Stille und bitte Jesus, dir Antwort zu geben und dich zu leiten: „Zielstrebig will ich den Weg gehen, den deine Gebote mir weisen, denn du machst mein Herz verständig und bereit.“ (Psalm 119,32)

 

Meine Tochter möchte gerne Tänzerin werden. Oder Prinzessin, wahlweise. Ich erkläre ihr, dass sich tanzende Prinzessinnen durchaus im Deutschen auskennen sollten. Sie müssen die Schrittfolgen zu Ed Sheerans neuestem Hit entziffern oder Gesetztestexte aufschreiben können, um beispielsweise die selten gewordene Einhornpopulation in ihrem zukünftigen Königreich zu schützen. Also, ran an den Aufsatz! Und tatsächlich – es wirkt. Meine Tochter beginnt, an ihrer Hausaufgabe zu schreiben. Allerdings ist der Eifer nach fünf Minuten verflogen. Jetzt braucht sie Häppchen. „Schreib heute eine Seite, morgen eine, und am Freitag korrigierst du alles nochmal.“ Und so hat sie tatsächlich am Ende der Woche einen sehr passablen Aufsatz gezaubert. Und ist sichtlich stolz darauf.

Im Kleinen treu

„Häppchen“ sind kleine Schritte, die dir helfen, nach und nach dein Ziel zu erreichen. So wird die Aufgabe lösbar, der Arbeitsaufwand überschaubar und deine Motivation steigt. Und was für blöde Deutschaufsätze gilt, findet auch in anderen Bereichen des Lebens Anwendung. Möchtest du viel für Jesus erreichen? Eine Gemeinde gründen, eine blühende Jugendarbeit ins Leben rufen oder die Obdachlosigkeit im Namen Jesu aus Deutschland verbannen? Fang klein an. Setze dir kleine Zwischenziele. Entwickle gute Gewohnheiten. Unser Leben besteht zu 80 Prozent aus Routine, und Routine entwickelt man durch Wiederholung. Selbstdisziplin bedeutet, nicht nur groß zu träumen, sondern im Kleinen treu zu beginnen.

Hier ein paar Action Steps, die dir in deinem täglichen Kampf mit Selbstdisziplin helfen können:

  1. Definiere, was du erreichen möchtest. Welche Gewohnheit möchtest du in deinem Leben etablieren? Wann bist du zufrieden, wann hast du „Erfolg“? Schwer beschäftigt zu sein bedeutet nicht automatisch, das Ziel zu erreichen. Sei dabei realistisch und setze dir schaffbare und erstrebenswerte Ziele!
  2. Lege einen Zeitraum fest. Wenn du nicht beginnst, wirst du auch nie zum Ende kommen. Wann möchtest du loslegen? Schreib es dir auf und erzähle einem Verbündeten davon!
  3. Überprüfe die Richtung. Lass dich nicht entmutigen, wenn ein Tag mal nicht so gut läuft. Was zählt, ist die langfristige Veränderung über Wochen und Monate, nicht ein schlechter Tag.
  4. Lege den alten Menschen ab. Er- und bekenne, wo du dich falsch verhältst. Bringe es vor Gott und formuliere aktiv, durch welches neue Verhalten du es ersetzen möchtest. Buße und Umkehr sind ein Schlüssel für eine effektive Selbstleitung.
  5. Lass dir helfen. Es gibt Menschen, die weiter sind als du. Frage nach Hilfe und sei bereit, sie anzunehmen – ohne dich zu verteidigen oder dein Verhalten schön zu reden.

 

Christian Gunka leitet das 51-Coaching für Jugendleiter in Gemeinden bei „Wort des Lebens“ am Starnberger See.