Tobias Hundt hört jetzt auf LUPID
Vor einem Jahr sind zwei der Band-Kollegen von Tobias Hundt ausgestiegen. Dadurch wurde es Zeit für etwas Neues für den Sänger, Schlagzeuger Markus und Patrick (E-Bass, Bass-Synthie, Klavier). Seit diesem Frühjahr treten sie als LUPID auf. TEENSMAG hat mit Sänger Tobias Hundt gesprochen, wie der Neustart gelaufen ist.
Als Bandmitglieder kanntet ihr euch schon, als ihr LUPID gegründet habt. Was hat sich bei euch geändert?
Wir mussten uns Gedanken machen, ob wir überhaupt und wie weitermachen wollen. Schnell war klar, dass es für uns noch nicht das Ende ist. Aber wir wollten auf keinen Fall als »Tobias Hundt und Band« weitermachen, weil es nicht wie früher wäre. Außerdem ist »Tobias Hundt« nicht der coolste Bandname (lacht). Ich bleibe zwar der Songwriter, aber wir funktionieren nur als Band. Das sollte in einem neuen Namen zum Tragen kommen. Wir haben alles auf null gestellt und alles war offen wie Bandname und Sound. Das war total geil, weil ich auf Neuanfänge und Abwechslung im Leben stehe. Vor einem Jahr haben wir uns ein Wochenende lang in einem alten umgebauten Bahnhof eingeschlossen und gebrainstormt und Flipcharts vollgekritzelt. Am Ende hatten wir ein Konzept.
Woran habt ihr euch dabei orientiert?
Wir wollen nicht unsere Wurzeln vergessen. Wir wissen, woher wir kommen und wem wir was zu verdanken haben. Die Angst von Fans war, dass wir vergessen könnten, was uns antreibt. Wenn man es mit einem Zirkel vergleicht, stechen wir bei dem ein, was für uns unwiderruflich ist. Dann spannen wir den Zirkel so weit wie möglich und holen uns möglichst viel Inspiration. Am Ende soll ein rundes, stimmiges Ergebnis herauskommen.
Was ist euer Antreiber in der Mitte?
Vor dem Wochenende im Bahnhof habe ich auf unserer Facebook-Seite nachgelesen, was unsere Fans begeistert. Das sind unsere persönlichen Texte, mit denen sich die Leute identifizieren können, und das Live-Gefühl bei Konzerten. Dabei kommt viel Spaß rüber und die Zuhörer merken, dass wir jemanden in uns tragen und ausstrahlen. Sie bemerken unsere Freundschaft untereinander und die Energie vom Live-Auftritt. Außerdem sind wir drei Kirchenkinder. Das gehört zu unserer DNA und beeinflusst alles, was wir machen.
Wie klingt euer neuer Sound?
Wir machen deutschen Pop mit vielen elektronischen Einflüssen. Das Elektronische ist neu für uns. Beim letzten Album war es uns wichtig, dass ein echtes Schlagzeug aufgenommen wird und es organisch ist. Ich liebe die letzten beiden Alben von Coldplay, die immer elektrischer wurden. Sie haben einen großen Einfluss auf mich. Wichtig war uns, dass unser Sound nicht kalt wirkt und immer noch organische Instrumente drin sind. Für »Träum mich zurück« haben wir ein echtes Klavier aufgenommen. Das belebt einen Song noch mal.
Was hat sich inhaltlich verändert?
Das Album »Am Leben« ist schon drei Jahre alt. In der Zwischenzeit ist bei mir viel passiert. Ich bin in den Ernst des Lebens gestolpert, habe meinen ersten Job angefangen. Das hat mein Schreiben extrem verändert. Ich hatte das Privileg, mit zwei der besten Songwritern Deutschlands zu schreiben und von ihnen zu lernen. Es wird einen großen Unterschied zwischen dem letzten und dem nächsten Album geben, an dem ich noch schreibe. »Am Leben« ist während des Theologiestudiums entstanden. An den vielen theologischen Songs wie »Gethsemane« merkt man, dass das Studium alles war, was mich beschäftigt hat. Wenn wir das in Clubs spielen würden, würde ich nur in Fragezeichen gucken. In meinem Job als Jugendreferent wurde ich mit vielen Schicksalen und der echten Welt konfrontiert. Ich habe mich um Jungs gekümmert, die auf der Straße abhängen, und eine Flüchtlingsarbeit gestartet. Dadurch haben sich auch meine Texte verändert. Ich schildere nicht mehr ein Problem, das am Ende wieder gut ist. Ich habe gelernt, eine schlechte Situation zu schildern und stehen zu lassen. Ich musste lernen, mich zu trauen das auszuhalten. Einige Songs gehen an die Substanz und sind persönlich.
Wie packst du den Glauben in die Texte?
»Tanz auf Scherben« ist einer der ersten neuen Songs und soll der Generation, mit der ich gearbeitet habe, den Spiegel vorhalten. Sie flüchten vor der Realität ihres Lebens in einen Rausch. Wenn sie abends weggehen, tanzen sie auf den Scherben ihres Lebens und betäuben sich, um das zu verdrängen. Die ersten Songs gehen in diese Richtung und ich habe bei ihnen Gott rausgelassen. Aber ich brauchte diese Songs, um jetzt wieder über meinen Glauben zu singen. In den letzten Wochen habe ich einen Song geschrieben, den ich sehr mag und aufs Album soll. Er heißt »Heim« und handelt davon, dass ich durch meine Erlebnisse vor Gott geflohen bin, aber im Grunde nur heim will. Die Songs bieten ein großes Spektrum.
Im Oktober habt ihr ein Video zu »Träum mich zurück« veröffentlicht. Worum geht’s?
Witzig – immer, wenn ich den Song erkläre, wird er dadurch unromantisch (lacht). Viele Menschen haben so reale Träume, dass sie erst beim Aufwachen merken, dass es die Leute und Orte gar nicht gibt, die ihnen im Schlaf vertraut vorkamen. Dann wünscht man sich, den Traum fertig zu träumen. Man will den Traum zu Ende bringen, noch etwas sagen, noch einmal an den Ort, mit dem man etwas verbindet. Doch wenn man weiterträumt, wird die Geschichte richtig abstrus.
Damit passt es in die säkulare Musikwelt. Wollt ihr dort durchstarten?
Unbedingt! Das ist ein großer Traum. Im November spielen wir unsere erste Clubtour. Was wir zu sagen haben, gehört genau da hin!
Werdet ihr die Leute in den Clubs mit eurer Message überraschen?
Je nachdem, welche Songs wir spielen – definitiv. Wir werden nach wie vor alte Songs spielen. Da ist die Botschaft klar. Aber wir denken nicht darüber nach, wie viel Glauben wir aufs Album packen sollten. Wir fragen uns, wann das Produkt am besten ist und was wir sind. Die Platte soll eine authentische Momentaufnahme werden und da ist der Glaube für uns automatisch dabei. Das ist uns auch im Gespräch mit allen potentiellen Partnern, Management und Label sehr wichtig. Wir sind aber so realistisch, dass Leute mit Kirchenhintergrund manches nicht verstehen werden. Das müssen wir vor uns und Gott rechtfertigen. Wir machen uns frei von dem, was Leute sagen könnten.
Im letzten Interview hast du gesagt, dass ihr neugierig wie Kinder auf Weihnachten seid, wie eure Fans das neue Projekt aufnehmen. Wie ist es euch ergangen?
Bisher haben wir nur drei Sachen veröffentlicht und bekommen viele Nachrichten von Fans, die uns ganz viel Mut machen. Total abgefahren: Viele Leute möchten Teil davon werden. Viele Bands aus dem christlichen Sektor wollen uns bei der Clubtour supporten. Lichttechniker bieten ihre Hilfe an und jemand würde uns für einen Video-Blog begleiten. So viel Support hatten wir noch nie.
Was ein Neustart bringen kann.
Ja, das ist echt abgefahren! Wir haben uns vorher so einen Kopf gemacht. Ich denke immer, ich müsste es allen recht macht und höre auf die Stimmen in meinem Kopf. Aber am Ende des Tages müssen wir wissen, warum wir was wie entschieden haben, und müssen dazu stehen. Und es kommt dann oft anders, als der eigene Kopf es vorgesponnen hat.
Wie habt ihr euch zu dritt eingelebt?
Auch da haben wir uns gefragt, wie es werden soll, weil zwei starke Charaktere raus sind. Aber jetzt kann man sich nicht mehr anders vorstellen. Alles ist viel intensiver geworden, weil wir drei ein neues Commitment gemacht haben. Wir wollen alles reingeben und gucken, was passiert. Wir haben uns super eingespielt, sind in einer Studio-Kommune fest eingemietet und jeder hat seine Aufgaben. Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, wie ich früher riesige Entscheidungen alleine treffen konnte. Jetzt können wir zu dritt entscheiden, die Band steht viel mehr im Mittelpunkt und alle versuchen, das Gleiche reinzugeben. Das hat Dynamik bekommen.
Wer hat welchen Platz?
Ich bekomme den Rücken freigehalten, damit ich schreiben kann. Mit den Songs steht und fällt alles. Mein Job als Jugendreferent hat mich so stark belastet, dass ich nicht den gewünschten Output bringen konnte. Markus ist für Technik wie Homepage und Social Media verantwortlich. Patrick macht den Versand und Newsletter. Das ist super aufgeteilt. Außerdem ist Markus unser größter Technik-Freak und bringt das an den Start, was wir elektronisch live umsetzen. Das Coole ist, dass ich zwei so gewissenhafte Partner an meiner Seite habe. Ich bin eher der verstreute Typ und die beiden fangen das gut auf. Ohne die beiden wäre das alles nicht möglich.
Man hat es ein bisschen via Facebook mitbekommen: Mit dem Namen ist etwas schief gelaufen. Was war da los?
Das war ganz schlimm. Diesem Harmonie besessenen kleinen Kerl in mir war es unglaublich wichtig, dass alle mit dem, was wir machen, mitgehen. Mit einem Namen, der sich auf Hund(t) bezieht, wollten wir die sagen, dass wir immer noch die gleichen sind und unsere Wurzeln nicht vergessen. Hazky war eine Option. Wir haben recherchiert und eine unscheinbare Band in Melbourne mit dem Namen gefunden, die sich aber anders schreibt. Wir haben sie angeschrieben, haben aber über zwei Monate keine Antwort bekommen. Also haben wir nächste Schritte eingeleitet. Dann haben sie uns gebeten, einen anderen Namen zu finden – ich glaube, sie dachten, wir seien eine Schülerband. Zu dem Zeitpunkt hatten wir schon viele Pullover und T-Shirts bestellt. Letzten Endes hat deren Management Dampf gemacht, dass wir auf keinen Fall so heißen dürfen. Da ist unsere ganze kleine Husky-Welt eingestürzt.
Was habt ihr mit dem ganzen Zeug gemacht?
Wir hatten überlegt, es zu verkaufen. Aber ich arbeite mit Flüchtlingen und wahrscheinlich werden wir ihnen alles spenden, obwohl wir damit großen Verlust machen. Es wäre bescheuert, wenn wir die Pullis in der Kiste liegen lassen, die woanders gebraucht werden.
Nun heißt ihr LUPID. Was bedeutet das?
Es kommt von Lupus canis – dem Wolf. Wir wollten mit dem Namen immer noch beim Hund(t) bleiben. Mit dem Wolf hatten wir einen Verwandten gefunden. Da Lupus canis aber total bescheuert klingt und Lupus eine Krankheit ist, wollten wir ein Kunstwort daraus machen. Da sind wir bei Lupid gelandet. Man muss aber ehrlicherweise sagen, dass wir irgendwann an dem Punkt waren, dass es egal war, wie das Ding heißen soll. Es sollte endlich weitergehen. Es hat viele Nerven und Zeit gekostet. Zu der Zeit will ich echt nicht mehr zurück.
_Lisa mag Wölfe genauso gerne wie Huskys.
Ich habe mich schon eine ganze Weile gefragt, wie es letztendlich vom Hundt zu lupid gekommen ist. Und wie ihr letztendlich noch zu den “Wurzeln” steht. Tatsächlich spürt man in den Songs letzten Endes genau das, was im Interview auch klar benannt wird.
Ich finde die Songs transportieren so viel Gefühl und eben das tatsächliche Leben mit all den auf und abs die man so hat, dass es mir als Zuhörer ganze Geschichten erzählt.
Es sind vielleicht keine Lieder mehr, die man Sonntags im Gottesdienst singt, aber dafür hat man ja die ganzen Hillsongs usw.
Ich schätze das ist das Dilemma von heute, als Christ bekommt man oft das Gefühl vermittelt, dass man nur von dem “auf” berichten darf und von dem ab nur wenn ein happy end folgt, sonst ist es zu “düster”. Daher ist die Aussage, es einfach mal stehen zu lassen, gut.
Ich hoffe ihr erreicht all die, die den Fuß bisher nicht über die Schwelle einer Kirche setzen konnten.